Manaslu 2012

Der Manaslu ist mit 8163 Meter der achthöchste Berg unserer Erde. Sein Name kommt aus dem Sanskrit und bedeutet „Berg der Seele“. Der ebenso für den Manaslu gebräuchliche Name Kutang leitet sich aus dem Tibetischen („tang“, die Ebene) ab und bezieht sich auf das große Gipfelplateau, das gerade von Norden gesehen, besonders hervorstechend ist.
Der Manaslu liegt im Mansiri Himal weit westlich in Nepal und wird im Südosten vom Ganesh Himal, im Nordwesten vom Annapurna Massiv begrenzt. Bekannt ist er deutschen Sprachkreisen durch das seit je her starke deutsch-/österreichisch-/schweizerische Engagement in der Besteigungsgeschichte des Berges und auch durch die beliebte klassische Manaslu-Umrundung, eine Trekkingrunde, die durch das Tal des Buri Gandaki über den Larkya-Pass in das Marsyangdi-Tal führt. Ziel der Expedition ist es, über die Nordostflanke aufzusteigen und eine vollständige Skibefahrung des Berges zu versuchen.

Galerie

Historie

Wenn der Nanga Parbat der „deutsche Schicksalsberg“ und der Dhaulagiri der „Schweizer Achttausender“ ist, dann ist der Manaslu vermutlich der Berg der Japaner. Am Beginn der fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts fanden die ersten Erkundungen am Berg statt, ein führender Kopf hierbei war der bekannte englische Forschungsreisende und Bergsteiger Bill Tilman. Die folgenden Jahre gehörten dann ausschließlich den Japanern, die gleich mehrere Expeditionen aussandten, um einen gangbaren Weg über die Nordseite oder den Ostgrat zum Gipfel zu finden. Am 9. Mai 1956 schließlich gelang es T. Imanishi und Sherpa Gyaltsen Norbu unter der Expeditionsleitung von Y. Maki den Gipfel des Achttausenders zu besteigen. Wenige Tage später, am 11. Mai, folgten die japanischen Teamkollegen K. Kato und M. Higeta. 1964 gelang einer niederländischen Expedition die Erstersteigung des Nordgipfels, der Ostgipfel wurde erst im Jahre 1986 durch eine tschechische Expedition unter J. Kukuczka bestiegen. Im Jahre 1971 fand eine weitere japanische Expedition unter Leitung von A. Takashi eine Route durch die Nordwestwand und erzielte damit die Zweitbesteigung des Hauptgipfels. Die bislang größte Tragödie am Berg ereignete sich 1972 als F. Jäger und A. Schlick als Mannschaftsmitglieder einer Tiroler Expedition unter W. Nairz, deren Ziel die Durchsteigung der Südwand war, im Schneesturm starben. Zur selben Zeit kamen auf dem Normalweg vier Koreaner, ein Japaner und zehn Sherpas durch Lawinen ums Leben. 1973 erreichten Gerhard Schmatz, Sigi Hupfauer und der Sherpa Urkien Tshering als vierte Expedition den Gipfel. 1974 glückte einer japanischen Frauenexpedition die erste reine Frauen-Besteigung eines Achttausenders. 1981 konnten P. Wörgötter und J. Millinger die erste Skiabfahrt am Manaslu aus 8125 m Höhe realisieren, damals die erste Skibefahrung eines Achttausenders. Im selben Jahr eröffnete eine französische Expedition unter P. Beghin eine neue Variante durch die Westwand. 1983 erreichte eine deutsche Expedition unter Günther Härter den bisherigen Höhepunkt in der Südwand auf der Route der Tiroler Expedition von 1972. Die erste Winterbesteigung gelang zur Jahreswende 1983/84 einer polnischen Expedition unter L. Korniszewski. Die erste komplette Überschreitung des Berges erzielte eine ukrainische Expedition unter der Leitung von V. Shumichin im Alpinstil 1991. Sie stieg über den Südgrat auf und über die Nordostseite ab. Eine lückenlose Chronologie der Besteigungsgeschichte bis zum Jahre 1996 kann im Internet hier nachgelesen werden. Seit den neunziger Jahren mehren sich die Besteigungsversuche deutlich, vielfach konnten amerikanische, britische, deutsche, österreichische Expeditionen und Bergsteiger aus anderen Ländern der Erde den Gipfel ersteigen.

Unter himalaya-info.org findet sich eine gute Zusammenfassung der kompletten Besteigungsgeschichte.

Route

Der Gletscherbeginn ist vom Basislager, 4800 m, schnell erreicht, nachdem man den Moränenrücken, auf dem sich der Lagerplatz befindet, hinter sich gelassen hat. Der Weg über den Gletscher ist zunächst unproblematisch. Die eine oder andere Spalte muss umgangen werden, bis der Platz des ersten Hochlagers (C1, 5600 m) in einem kombinierten Felsriegel erreicht ist. Zum Hochlager 2 (C2, 6600 m) wird das Gelände nun zunehmend steiler und zerklüfteter. Zunächst aber führt eine lange Querung Richtung Nordost auf den Beginn einer Gletscherrampe zu. Hier ist große Vorsicht vor möglichem Eisschlag und entsprechende Eile geboten. Ein Eisbruch mit zahlreichen Seracs und Steilaufschwüngen muss nun über die Rampe durchstiegen werden, um auf die oberen Eisfelder des Manaslu zu gelangen. Fixseile werden an den Steilstufen und Spaltenpassagen angebracht. Genau hier befinden sich auch die großen Serac-Abbrüche, die für den Eisschlag auf der Querung zu Beginn der Etappe sorgen. Nachdem wieder etwas flacheres Gelände erreicht ist, wird das zweite Hochlager auf einer Gletscherterrasse unterhalb des Nordsattels auf ca. 6600 errichtet. Die dritte Etappe führt über eine kurze Flachpassage in steiler werdende Schneehänge hinein, die in Richtung einer Schwachstelle im markanten Seracriegel, erstiegen werden. Unterhalb des Gipfelplateaus muss eine ca. 300 Meter lange, 45 Grad (kurze Einzelstellen auch darüber) steile Schnee- und Eisflanke mit Fixseilen versehen und erstiegen werden, dann gelangt man auf das große Gipfelplateau und errichtet das dritte Hochlager (C3, 7400 m) möglichst windgeschützt in einer Mulde. Auf der Gipfeletappe führen weite, wenig steile Schneehänge in nordwestlicher Richtung zum Gipfel empor, der nach einer kleinen Einsattelung über einen wenige Meter langen exponierten Schneegrat erstiegen wird. Der Weg ist technisch wenig schwierig aber dafür lang. Nach dem Abbau der Lagerkette und dem Abstieg vom Berg – dies wird nochmals 2 Tage in Anspruch nehmen – findet sich alle wieder im Basislager ein.

Ablauf

Inferno am „Berg der Stürme“ – Mit Tourenski auf den Manaslu

Expeditionstagebuch

24.-25.3. Expeditions-Vortreffen im Zillertal
Nur noch zwei Wochen, dann geht es los zum Manaslu. Höchste Zeit, um letzte Fragen zu klären und Vorbereitungen zu treffen. Zu diesem Zweck treffen wir – Saskia Sippel, Alix von Melle, Rainer Jäpel mit Frau Anke, Christian Ranke und Luis Stitzinger – uns in Mayerhofen im Zillertal, um nebenher noch die eine oder andere Skitour gehen zu können. Am Samstag steigen wir vom Gasthof Bärenbad aus dem Zillergrund bei bestem Wetter auf den Zillerkopf, 2995 m, auf. Feinster Firn belohnt uns auf der Abfahrt fürs frühe Aufstehen. Nachmittags setzen wir uns im Gasthof Häusling auf die Sonnenterrasse und halten unsere Besprechung ab. Am Sonntag starten wir von der Zillertaler Höhenstraße hinauf zum Pangert, 2550 m, im Rastkogelmassiv. Trotzdem es über Nacht teils bewölkt war, trägt die Schneedecke und im schattseitigen Kar unterhalb des Gipfels finden wir sogar noch Pulverschnee vor. Ein rundherum gelungenes Wochenende!

Ostersonntag 8.4. Packtag
Die Sachen sind gepackt, der Osterhase gekommen, alle Ostereier gefunden – nun kann es losgehen! Morgen, Montag 9.4. startet abends unsere Maschine vom Flughafen München in Richtung Abu Dhabi, Vereinigte Arabische Emirate. Nach etwas Wartezeit geht es weiter nach Kathmandu, Nepal, wo wir am späten Nachmittag des 10.4. ankommen werden.

Montag 9.4. Flug München – Kathmandu
Pünktlich um 23.20 Uhr heben wir in München ab und fliegen in 4,5 Std nach Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Dienstag 10. – Mittoch 11.4. Kathmandu
Nach etwas Wartezeit auf unseren Anschlussflug nach Kathmandu sind wir weitere 3,5 Std in die nepalische Hauptstadt unterwegs, wo wir um 19.30 Uhr Ortszeit landen. Als all unser Gepäck vom Laufband gerollt ist, holt uns unsere Agentur mit einem Kleinbus am Tribuvan International Airport ab und bringt uns nach Thamel ins Hotel Norbu Linka. Bei einem späten Abendessen im Hotel freuen wir uns auch Christian und Gabi wiederzusehen, die schon einen bzw. zwei Tage vor uns in Kathmandu angekommen sind, dann geht es nach der anstrengenden Anreise rasch zu Bett. Anderntags machen wir uns bald nach dem Frühstück auf zu unserer Agentur, um die noch fehlenden Ausrüstungsgegenstände im Lager zu holen und packen alles zusammen. Nachmittags erledigen wir noch ein paar Besorgungen in der Stadt, dann sind wir startklar für unsere Expedition.

Donnerstag 12. – Freitag 13.4. Anreise und Trekkingbeginn
Früh morgens um 4.00 Uhr sind wir schon wieder auf den Beinen, das Gerücht eines Streiks in Kathmandu geht um und wir wollen die Stadt verlassen, ehe der Verkehr lahmgelegt ist. 9.30 Uhr kommen wir nach reibungslos verlaufener Busfahrt und einigen Stopps auf dem Weg in Gorkha an. Zwei Stunden später erreichen wir auf der nun schlechter werdenden Dirt Road Arughat, 520 m, dem Ausgangspunkt unseres Trekkings zum Manaslu. Nach einem ersten Mittagessen aus der Campingküche werden die Zelte im Garten des Hotel Manaslu aufgebaut und das Gepäck sortiert. Ein Teil geht mit Eseln voraus in Basislager, der andere begleitet uns auf unserem Trekkinganmarsch. Nach dem Abendessen geht ein schweres Gewitter nieder, das unseren Campingplatz in eine große Wasserpfütze verwandelt. Am nächsten Morgen hat sich das Gewitter aber wieder verzogen und die restlichen verbliebenen Wolken machen rasch der Sonne Platz, die uns nach unserem frühen Aufbruch um 7.30 Uhr begrüßt. Rasch wird es warm auf unserem Weg, der uns durch kleine Streusiedlungen, weite Reisterrassen und vereinzelte Bananenhaine das Tal des Burhi Gandaki höher führt. Gegen 11.00 Uhr gibt es ein frühes Mittagessen im Weiler Soti Khola, 730 m. Danach führt uns der Weg noch zwei weitere Stunden bis Liding, 750 m (offiziell 860 m) weiter. Dort errichten wir unser Nachtlager auf einer idyllischen Wiesenterrasse mit Ausblick auf den gegenüberliegenden Wasserfall auf der anderen Talseite. Heute bleiben wir wohl auch vor einem erneuten Gewitter verschont.

Samstag 14. – Dienstag 17.4. Trekking bis Namrung
Kurz nach 8.00 Uhr erst verlassen wir unser Lager in Liding und marschieren auf der ungeteerten Jeepstraße weiter. Nach einigen vereinzelten Häusern endet diese dann endgültig. Der weitere Weg führt durch Wald und Felder, ehe wir in Lapu Besi, 880 m, nach 2,5 Std Gehzeit, Mittagspause machen. Nachmittags geht es, meist direkt am Fluss entlang, bis in den kleinen Weiler Macha Khola, 930 m, das wir nach 4,5 Std erreichen. Dort stellen wir unsere Zelte im Garten der Chum Valley Lodge auf. Das Wetter ist heute wie an den meisten Tagen vormittags klar und sonnig, bewölkt sich nachmittags dann zunehmend und führt später zu gewittrigen Regenschauern. Anderntags verlassen wir Macha Kohla schon früh gegen 7.00 Uhr, heute steht eine längere Etappe bevor. Auf und ab führt uns unser Weg wieder durch Wald am Fluss entlang. In Tatopani („Heißes Wasser“) locken warme Quellen mit über 40 Grad heißem Wasser zum Waschen. Kurze Zeit später wechselt der Weg das Flussufer und in Dobhang, 1070 m, nach 3,5 Std Gehzeit, halten wir Mittagspause. Gerade rechtzeitig, da es heute schon mittags zu regnen beginnt und wir die ungemütlichste Phase so unter Dach vermeiden. Nachmittags geht es dann nochmals für  3 Std weiter, ehe wir in Jagat, 1370 m, ankommen, das auf einer weiten Schwemmebene des Flusses liegt. Auf beiden Seiten des Tals ragen dunkle Felswände schroff empor. Morgens sind wir wiederum kurz nach 7.00 Uhr auf den Beinen. Der Weg führt durch gepflegte kleine Dörfer, die nun bereits deutlich tibetische Züge tragen und mit Mani-Mauern, Gebetsfahnen und Chörten geschmückt sind. Mais- und Gerstefelder säumen den Weg. Nach erneuter Flussüberquerung auf einer der vielen Hängebrücken, wartet ein steiler Anstieg nach Philim, 1570 m, auf uns. Kurz danach nehmen wir unser Mittagessen in Ekle Bhati, 1650 m, ein, zu dem wir 3,5 Std unterwegs waren. Nachmittags führt der Weiterweg wunderschön durch die tief eingeschnittene Schlucht des Burhi Gandaki, durch tiefe Kiefern- und Bambuswälder, bis wir Deng, 1840 m, nach weiteren 3 Std erreichen. Einige wenige Häuser drängen sich auf der noch nachmittags sonnenüberfluteten Hügelkuppe hoch über dem Fluss zusammen. Kurz nach 7.00 Uhr setzen wir unseren Weiterweg am nächsten Morgen fort. Die heutige Etappe ist besonders malerisch, flechtenverhangene Kieferbäume wechseln mit lichten Hangflanken, die von kleinen Streusiedlungen bestanden sind. Viele Mani-mauern und Chörten säumen den Weg. In Ghap, 2380 m, nach 4,5 Std Gehzeit machen wir Mittagspause im Hof einer kleinen Lodge. Nachmittags tauchen wir wieder in dichten Urwald ein. Blühende Rhododendren säumen den Weg, der uns immer wieder über Brücken über den reißenden Gebirgsfluss bis nach Namrung, 2620 m, führt. Noch immer geht es uns allen gut und wir erfreuen uns an den tollen Ausblicken und der einmaligen Natur, die wir hier täglich erleben dürfen. Alle Angehörigen und Freunde in der fernen Heimat seien herzlich gegrüßt!

Mittwoch 18. – Donnerstag 19.4. Trekking bis Sama Gaon
Zunächst haben wir nur eine kurze Etappe bis Lho (ca. 3 Std) vor uns, die uns aber runde 500 Höhenmeter weiter hinauf bis auf 3230 m bringt. Nach einem späten Frühstück gehen wir ein Stück bergauf zum Namlhaka-Nying Drubgyu Choekhorling Monastery und besichtigen das schöne neue Kloster und die alten Holzmalereien, die es beherbergt. Wenig später machen wir uns auf den Weg weiter das Tal hinauf, immer an der orografisch rechten Flussseite entlang. Über Lihi und Sho sowie mehrere einzeln stehende Gehöfte und Streusiedlungen erreichen wir den kleinen Weiler nach 2,5 Std Gehzeit. Der Weg dorthin führt uns durch lichte Kiefernwälder und Farmland, auf dem Mais, Gerste und Erbsen angepflanzt werden. Auf halber Strecke passieren wir das Tal des Hinang-Gletschers, über den das Basislager des Himalchuli, 7893 m, erreicht werden kann. Über dem Ort Lho, malerisch auf einem Hügel gelegen, befindet sich das große Kloster von Lho, das eine große Klosterschule beherbergt, in der 130 Klosterschüler lernen und weitere 130 Mönche und 3 Nonnen leben. Spätnachmittags geht wieder der fast schon obligatorische Regenguss nieder. Anderntags frühstücken wir im strahlenden Sonnenschein auf unserer Campingwiese unterhalb des Klosters, mit freiem Blick auf den Manaslu, der fünftausend Meter über uns aufragt. Nach dem Frühstück besuchen wir das Kloster, besichtigen die Gompa und unterhalten uns mit den Mönchen und Klosterschülern. Danach setzen wir unseren Weg nach Sama Gaon fort, der uns durch einen wahren Zauberwald führt. Auf halbem Wege passieren wir das Tal des Phung Gyen-Gletschers über dem der Ngadi Chuli, 7871 m, thront. Über einige Bachläufe hinweg erreichen wir nach 3 Std Gehzeit eine große Schwemmebene, in deren Mitte die Ansiedlung Sama Gaon auf 3533 m liegt. Im Innenhof einer Lodge, in der sich auch unser gesamtes vorausgesandtes Gepäck befindet, schlagen wir unsere Zelte auf. Das Panorama ist beindruckend, wohin man auch blickt, hohe Berge. Und „unser Manaslu“ direkt „hinter dem Haus“. Heute bleibt sogar der abendliche Schauer aus.

Freitag 20. – Samstag 21.4. Sama Gaon und Aufstieg BC
Bei wundervoll warmem und sonnigem Wetter unternehmen wir heute einen Ausflug zur Pung Ghyen Gompa ins Seitental des gleichnamigen Gletschers. 2 Std Gehzeit führen uns über einen steilen aber angenehm zu gehenden Aufstieg in Serpentinen entlang der Seitenmoräne ins Hochtal hinter. Dort öffnet sich zu unserer Überraschung eine weitläufige Wiesen-Hochfläche an deren Ende die Gompa unter der imposanten Südwand des Manaslu liegt. Nach einer gemütlichen Rast an einem kleinen See machen wir uns an den Abstieg zurück ins Dorf, wo das Mittagessen bereits auf uns wartet. Nachmittags ist Körperpflege und ein Bummel durchs Dorf angesagt, ehe es an die letzten Vorbereitungen für den Aufstieg ins Basislager geht. Anderntags heißt es zur Abwechslung mal wieder früh aufstehen, ein langer und anstrengender Tag steht uns bevor: Heute geht es hinauf ins Basislager auf 4850 m. Das bedeutet einen Höhenunterschied von 1300 Metern, eine Belastungsprobe für den Körper, die langsam und möglichst schonend angegangen werden sollte. Zunächst ein Stück das Tal hinter, dann am großen Zungenbeckensee des Gletschers vorbei zu den felsigen Abbrüchen des Gletscherkessels führt uns der Anstieg. Steil, in Serpentinen führt ein Fußpfad höher durch Krummholz und die felsigen Abbrüche bis zum Beginn der Seitenmoräne des Manaslu-Gletschers. Hier beginnt auch die Schneegrenze. Der Moräne muss nun noch ein ganzes Stück gefolgt werden, ehe der Platz des Basislagers erreicht ist, bis wohin wir mit fünf bis sechs Std Gehzeit rechnen müssen. Träger, die in den Vortagen bereits Lasten für andere Expeditionen hinaufgetragen haben, berichten von sehr viel Schnee ab den Steilabbrüchen. Vier bis fünf Expeditionen haben sich bereits im BC eingefunden, weitere zwei bis drei werden in den nächsten Tagen noch erwartet. Wir freuen uns auf die vor uns liegenden Herausforderungen und Erlebnisse!

Sonntag 22.4. Basislager
Nachdem es über Nacht viel geschneit hatte (ca. 20 cm) begrüßt uns zum Frühstück strahlender Sonnenschein. Von unserem Aussichtsbalkon auf der Mittelmoräne des Manaslu-Gletschers, auf dem das Basislager liegt, offenbart sich uns ein einmaliger Rundblick auf den Manaslu im Südwesten, die Grenzberge zu Tibet im Norden und das Tal von Sama Gaon im Osten. Mit einem ganzen Tross Trägern haben wir am Vortag den Aufstieg ins Basecamp in nur 4 Std Gehzeit zurückgelegt. Über dem Waldgürtel begann bald der Schnee, doch eine gute Spur ermöglichte ein zügiges Vorankommen. Nachdem Zeltplattformen in den tiefen Schnee gegraben waren, setzte bald anhaltender Schneefall ein, der sich dann erst in der zweiten Nachthälfte wieder legte. Nach dem Verbessern der Zeltplätze wird heute die Ausrüstung sortiert und eingeräumt. Ein paar Ladungen treffen noch ein, dann ist alles komplett im Basislager angekommen. Nachmittags hält der Lama aus Sama Gaon eine Puja (Gottesdienst) für uns im Basislager ab, um die Götter gnädig zu stimmen und ihren Segen für unsere Besteigung zu erflehen. Wir lassen unsere Eispickel und Ski weihen, auf dass sie uns sichere Dienste auf der Expedition verrichten mögen. Ausser uns ist das Basislager relativ ausgestorben, die meisten Expeditionsteams (Polen, Australier, Iraner sowie zwei internationale Expeditionen) sind heute auf dem Weg zu Lager 1, um dieses einzurichten. Nachmittags setzt wieder relativ früh Schneefall ein und hüllt den ganzen Berg in undurchdrinbares Grau.

Montag 23.4. Akklimatisationstour
Nach einer weiteren stürmischen Nacht und 20cm Neuschnee lässt uns ein stahlblauer Himmel und ungetrübter Sonnenschein nach dem Frühstück zur Akklimatisationstour in Richtung Lager 1 aufbrechen. Gabi steigt bereits wieder ins Tal Richtung Sama Gaon ab, um Ihre Manaslu-Umrundung fortzusetzen. Wir verabschieden uns alle herzlich, die Gesellschaft der vergangenen Tage werden wir vermissen. Christian begleitet sie ein Stück ins Tal hinab. Wir anderen vier steigen mit leichten Rucksäcken über die fantastischen Skihänge oberhalb des Basecamps bis auf 5300m. Unterwegs treffen wir andere Expeditionsteilnehmer, zwei Polen, zwei Kanadier. Dank der Ski kommen wir zügig voran. Dabei haben wir immer die weitere Aufstiegsroute vor Augen. Nach 2 Stunden des Aufstieges fellen wir auf einer kleinen Anhöhe ab und ziehen im weich gewordenen aber noch gut fahrbaren Schnee ein paar schöne Schwünge zurück ins Basislager. Hoch über uns tront dabei der inzwischen in Wolken gehüllte Gipfel des Manaslu. Nach einem gepflegten Mittagessen, packen wir am Nachmittag die Ausrüstung zum Errichten des 1. Hochlagers. Den Rest des Tages nutzen wir zur Regeneration. Morgen möchten wir sehr zeitig aufbrechen und Lager 1 in 5600 m Höhe erreichen.

Dienstag 24. – Mittwoch 25.4. Depot Lager 1, Ruhetag
Früh um 5.00 Uhr geht es heute schon aus den Federn. Das Wetter ist perfekt, die Sonne scheint schon um 6.20 Uhr auf unsere Zelte, um 6.45 Uhr sind wir unterwegs in Richtung Lager 1. Über die tief verschneiten Ausläufer des Moränenrückens erreichen wir den Beginn des Gletschers, der zunächst sanft in Richtung Naike Col hinauf zieht. Ein, zwei kurze Steilstufen müssen überwunden werden, die uns aber auch mit den Ski keine Probleme bereiten. Wir wählen eine etwas andere, mit Ski günstigere Route als die Fußgänger, deren Trasse gut eingetreten am Gletscherrand hinaufführt. Die Gletscherspalten sind tief zugeschneit, so dass wir das Seil beruhigt im Rucksack lassen können. Die Sonne brennt vom Himmel, es ist sehr warm und beinahe windstill, so dass man nur mit dem Funktionsshirt bekleidet aufsteigen kann. Nach 3,5 Std Gehzeit erreichen wir auf 5580 m in einem kleinen Sattel die erste Lagermöglichkeit für das Hochlager. Hier stehen auch bereits einige Zelte anderer Gruppen. Nach einer Pause steigen wir über einen kurzen steilen und kombinierten Grat zum höher gelegenen Lager 1 (C1) auf, das sich auf der Hochfläche eines Gratkopfes befindet. Auf 5725 m errichten wir nach 4,5 Std Gehzeit ein Depot mit Zelten, Seilen, Kochern, Gas und anderer Hartware. Wir wären gerne noch etwas länger verweilt – der grandiose Blick auf die Nachbarberge und das tief eingeschnittene Tal drängen förmlich dazu – doch die heranziehenden dicken weißen Wolken, die stets gegen Mittag an den Berg anbranden, lassen uns unsere verbliebenen Sachen packen und die Abfahrt gegen 11.30 Uhr antreten. Über eine kurze Schleife durch die Nordseite vermeiden wir den steilen Gratabschnitt und können mit den Ski komplett bis in den Sattel und dann weiter über den Gletscher bis ins Basislager abfahren. Da wir heute etwas früher als am Vortag dran sind, ist der Schnee oben noch pulvrig, unten aufgefirnt und noch nicht zu feucht. Der letzte Schwung dieser perfekten Skiabfahrt heute ist der Einkehrschwung ins Messzelt unseres Basislagers, wo wir uns eine deftige Brotzeit schmecken lassen. Kurz darauf beginnt wieder der all-nachmittägliche Niederschlag. Wir verziehen uns in die Zelte und lassen die Wettergötter sich austoben. Anderntags weckt uns wieder die Sonne, die aus einem stahlblauen Himmel herabscheint, in unseren Zelten. Nach einem ausgedehnten Frühstück mit heimischen Spezialitäten und Musik widmen wir uns etwas der Körperpflege, die nach einer Woche Basislager auch langsam not tut. Nachmittags richten wir unser Gepäck für den Berg her. Am Donnerstag wollen wir auf Lager 1 aufsteigen, um dort zu schlafen. Tags darauf möchten wir noch etwas höher schauen und den weiteren Routenverlauf begutachten, danach wieder ins Basislager zurückkehren oder noch einmal in C1 schlafen, falls es zu spät werden sollte, um noch am selben Tag abzusteigen.

 

Donnerstag 26. – Samstag 28.4. Lager 1, Depot Lager 2
Nach blauem Himmel am frühen Morgen bedeckt es sich heute relativ schnell wieder. Dennoch brechen wir kurz vor 7.00 Uhr zu unserem Aufstieg ins C1, 5725 m, auf. Unterwegs reißt die Bewölkung immer wieder auf und es ergeben sich sehr stimmungsvolle Momente, doch es ist nicht so heiß wie bei den vergangenen Aufstiegen. Diesmal umgehen wir das letzte steile Stück mit den Ski über die Rückseite, so wie wir das letzte Mal abgefahren waren. Das ist wesentlich angenehmer und sogar zeitlich kürzer, da man nicht extra Steigeisen anlegen muss. In knapp 4,5 Std sind wir alle fünf mit den Skiern im Lager angekommen. Rasch machen wir uns an die Arbeit, zwei Zeltplattformen zu schaufeln. Dies ist auf dem nahezu ebenen Gratkopf schnell geschehen. Kaum haben wir uns in die Zelte verkrochen, setzt auch wieder der Schneefall ein. Der Freitag Morgen beginnt bedeckt mit leichtem Schneefall. Dennoch steigen wir um 6.45 Uhr in Richtung Lager 2 auf. Vor uns sind bereits ein paar Polen unterwegs. Bis nach der eisschlaggefährdeten Querung unter den Seracabbrüchen der NO-Flanke können wir die Ski sinnvoll einsetzen. Danach führen mehrere Steilstufen über „die Rampe“ des Gletscherbruchs.bis das Gelände wieder flacher wird. Ca. 400 Meter Fixseil sind hier bereits verlegt worden, die Steilstufen der Rampe liegen zwischen 50 und 60 Grad, jeweils 30 bis 60 Meter lang. Hier tauschen wir die Ski gegen unsere Steigeisen ein und setzen unseren Aufstieg fort. Die Bewölkung hat sich mittlerweile verzogen und der steile Aufstieg in der Sonne ist sehr schweißtreibend. Nach der vierten Steilstufe führt der Aufstieg in einen geneigteren Hang, an dessen Ende die ersten Teams ihr Lager 2, 6290 m, errichtet haben. Dort kommen wir nach 4,5 Std Gehzeit um 11.30 Uhr an. Nach einer ausgiebigen Pause entscheiden wir uns trotz schlechter werdendem Wetter, den Weg fortzusetzen. Wenn man nicht in die Situation kommen möchte, vier Hochlager zu benötigen, sollte das zweite Lager noch einige hundert Meter höher liegen, da sonst die Distanz der nächsten Etappe unmöglich wird. In weiteren 1,5 Std erreichen wir wieder auf Ski über Kuppen und Senken des Gletschers schließlich eine große Serac-Eiswand, die einem Depot den nötigen Schutz vor Lawinen verspricht und entschließen uns, an dieser Stelle umzukehren. Die Sicht hat sich mittlerweile so stark verschlechtert, dass es uns unmöglich wäre, einen geeigneteren Lagerplatz auszumachen. Auf 6520 m verstauen wir unseren Depotsack und machen uns an die Abfahrt. Glücklicherweise reißt es just in diesem Moment etwas auf und wir können mehrere hundert Meter an Pulverschneeabfahrt bis zum unteren C2 genießen. Auch über die steile Rampe ist die Sicht noch so gut, dass wir die komplette Passage bis ins C1 mit Ski befahren können. Im Lager angekommen, treffen wir auf Mauro und Ian, die zusammen mit ihren Sherpas Kami und Pasang heute aufgestiegen sind. Rasch verziehen wir uns bei stärker werdendem Schneefall in die Zelte, machen uns etwas zu trinken und zu essen und ruhen uns aus. Wir beschließen, erst am kommenden Morgen – bei hoffentlich besserem Wetter – ins BC abzufahren. Über Nacht schneit es heftig, am nächsten Morgen liegen 30 Zentimeter Neuschnee im Hochlager. Das Wetter hat jedoch wie erhofft etwas aufgelockert, so dass die Abfahrt durch den frischen Pulverschnee ein wahres Vergnügen ist. Mit vielen Foto- und Filmstopps erreichen wir unser Basislager nach einer knappen Stunde Abfahrt um 9.00 Uhr. Dort steht schon ein zweites Frühstück bereit. Während wir essen beginnt es schon wieder zu schneien. Der Schneefall setzt sich über den gesamten Tag fort. Aber egal, heute und morgen sind Ruhetage geplant. Die freie Zeit werden wir auch dazu nutzen, uns einen neuen Wetterbericht einzuholen. Danach sehen wir weiter. Bislang haben wir unsere Zeit trotz durchwachsenem Wetters optimal genutzt und sind weiter als erwartet gekommen.

Sonntag 29. – Montag 30.4. Ruhetage
Von morgens bis abends schneit es, nur in den frühen Morgenstunden gibt es kurze sonnige Auflockerungen. Täglich kommen 30-40 Zentimeter Neuschnee hinzu. Unsere Zelte verschwinden zunehmend in Schneelöchern, das ganze Lager mutet wie eine Kriegsstellung mit Unterständen und Schützengräben an. Einzig die drei täglichen Mahlzeiten vermögen alle aus ihren Zelten herauszulocken. Eine Australierin, die gemeinsam mit ihrem Sherpa einen Aufstiegsversuch ins Lager 1 unternommen hatte, musste nach zwei Dritteln des Weges biwakieren. Der Wetterbericht verspricht allerdings Hoffnung, ab dem 1. Mai soll sich das Wetter schnelll bessern und für die Folgetage sehr gut sein. Wir planen, am Dienstag wieder ins Lager 1 aufzusteigen und in Folge Lager 2 zu errichten, einen Transportgang Richtung Lager 3 vorzunehmen und nach einer erneuten Nächtigung in Lager 2 wieder ins Basislager abzusteigen. Danach wären wir bereits startklar für einen Gipfelversuch. Der viele Schnee stellt für die Fussgänger nun natürlich ein großes Hindernis dar. Mit unseren Ski werden wir uns hier deutlich leichter tun. Der Schnee ist ohne viel Windeinwirkung gefallen, dadurch dürfte die Lawinengefahr vertretbar sein. Wir freuen uns darauf, endlich wieder etwas Bewegung zu bekommen.

Dienstag 1. – Freitag 4.5. Lager 2
Nach dem Frühstück verlassen wir unser Basislager zur beinah schon gewohnten Stunde um 7.00 Uhr und steigen über die sanft kuppierten Hänge in Richtung Lager 1 auf. Es hat viel Schnee aber mit den Ski kommen wir gut voran. Schon bald hüllen erste Wolkenfetzen den blauen Himmel ein und spenden uns etwas Schatten. Im kleinen Sattel unterhalb des Gratkopfs, in dem wir eine Pause einlegen, setzt dann aber recht frühzeitig das alltägliche Schneegestöber ein. Wenig später, nach 5 Stunden Aufstieg, kommen wir im Hochlager an und müssen zuerst einmal unsere Zelte freilegen, von denen vor lauter Schnee nichts mehr zu sehen ist. Als alles frei gegraben ist, machen wir es uns drinnen gemütlich. Der nächste Tag beginnnt sonnig und warm. Über Nacht hat es abermals mehr als 20 cm geschneit und wir müssen erst einmal den Eingang mit dem Kochtopf freischaufeln, um einen Blick nach draussen werfen zu können. Die ungesetzten Schneemassen sind so gross, dass wir entscheiden, einen Tag abzuwarten, bevor wir den Aufstieg zu Lager 2 fortsetzen. Vom Basislager steigen weitere Bergsteiger zum ersten Hochlager auf, mit deren Hilfe wir hoffen, am Folgetag mehr Abwechslung bei der Spurarbeit zu haben. Der Donnerstag beginnt sonnig, doch schon bald steigen die ersten Wolken auf. Dennoch machen wir uns früh auf den Weg. So auch eine andere fünfköpfige deutsch-österreichische Gruppe und ein paar Einzelbergsteiger. Durch unsere Ski haben wir schon bald einen Vorsprung und langen als Erste an den Fixseilen an. Mühsame Spurarbeit und Freilegen der Fixseile folgen über die Steilstufen der Rampe. Allmählich bewölkt sich der Himmel immer stärker, als wir die Steilstufen hinter uns gelassen haben, setzt Schneegestöber ein, in dem wir das untere Lager 2 auf 6290 m erreichen. Nach einer kurzen Pause ziehen wir zu unserem höher gelegenen Depot weiter. Dies ist nur noch mit Hilfe des GPS möglich, da es mittlerweile so neblig ist, dass man nur noch ein paar Meter weit sehen kann. Nach zwei Stunden orientieren und marschieren kommen wir endlich an der Serac-Wand an, in deren Schutz wir zuvor unser Materialdeopot für Lager 2 zurückgelassen hatten. Alle anderen Bergsteiger sind inzwischen umgedreht, nur ein einzelner Iraner, der im niedrigeren Lager 2 sein Zelt beschädigt ausgegraben hatte, beschliesst auf gut Glück unseren Spuren höher zu folgen. An einem gut geschützten Platz unter dem Serac errichten wir rasch 3 Lagerplattformen auf 6520 m und stellen unsere Zelte auf. Sogar für den Iraner, der auch wie wir mit Ski unterwegs ist, ist noch ein Plätzchen übrig. Als er ankommt, muss er sich nur noch ins fertig aufgestellte Zelt einrichten – er hat weder Zelt noch Gas oder Essen dabei. Als wir uns in den Zelten wieder aufgewärmt haben, sorgen kurze Aufhellungen für schöne Ausblicke zu Manaslu. Nach einer kalten Nacht (- 11 Grad im Zelt) weckt uns am nächsten Tag ein makelloser Morgen. In der frühen Sonne wird es schon bald sehr warm. Nachdem wir gefrühstückt haben, richten wir unsere Zelte sturmsicher her und machen uns an die Abfahrt. Ursprünglich wollten wir noch ein Stück höher schauen, um die weitere Route zu erforschen, doch die starke Sonne in Kombination mit dem gefallenen Neuschnee erfordern eine baldige Abfahrt über die Steilstufen. In Traumpulver fahren wir bis zum niedrigeren C2 über Senken und kuppiertes Gelände ab. Schon bald kommen wir an die erste Steilstufe, die sich noch recht mühelos überwinden lässt. Zum Glück herrschen beste Sichtverhältnisse, so finden wir auf Anhieb die beste Abfahrtslinie und können die gesamte Rampe gut mit Ski abfahren. Die Ausblicke ins Tal und zum Berg sind grandios, dies ist mit Sicherheit der klarste und schönste Tag, den wir bislang am Manaslu erleben durften. Die Fusshänge zum Lager 1 sind rasch überwunden. Nach einer Pause, machen wir uns daran, auch hier das Lager sturmsicher zurückzulassen und legen alle Zelte flach. Mit leichtem Rucksack setzen wir die weitere Abfahrt bis ins Basislager fort, in dem uns bereits das Mittagessen erwartet. Nach einer ausgiebigen Mittagspause holen wir uns den neuen Wetterbericht ein, der für Sonntag bis Dienstag weitere ergiebige Schneefälle in Aussicht stellt. Durch die „Buschtrommel“ erfahren wir, dass die Lage an vielen anderen Bergen sogar noch katastrophaler sein soll: Am Everest soll es deutlich mehr geschneit haben, am Dhaulagiri beinahe alle Expeditionen abgebrochen und abgezogen sein. Bislang seien keinerlei Gipfelerfolge an den hohen Bergen zu vermelden. So wie es aussieht, haben wir eine schwierige Saison für den Manaslu erwischt. Aber noch haben wir genügend Zeit und Reserven übrig und dank unserer Ski einen gewaltigen Joker im Spiel.

Samstag 5.5. Naike Peak Vorgipfel
Aufgrund der Wetterprognose haben wir uns auf eine dreitägige „Aussitzphase“ gefasst gemacht. Nachdem heute noch einmal „normales Wetter“ herrschen soll, haben wir am Vortag beschlossen, noch etwas Aktivität einzulegen und eine Skitour zu unternehmen. So ziehen wir gegen 7.00 Uhr den bekannten Weg Richtung Lager 1 hinauf und zweigen dann zum Naike Col ab. Schon früh bilden sich gewaltige Wolkentürme, eine dünne Schichtbewölkung war bereits am frühen Morgen aufgezogen. Während des weiteren Aufstiegs verbessern sich die Wetterverhältnisse allerdings wieder und wir schwitzen ordentlich, als wir den gewundenen, schmäler werdenden Schneegrat Richtung Naike Peak mit unseren Ski hinaufsteigen. Ein, zwei Steilstufen lassen sich mit den Ski in steilem Gelände überwinden, dann stehen wir auf einer kleinen Hochfläche unterhalb des letzten Grataufschwungs zum Vorgipfel. Der Gratverlauf bis dahin ist messerscharf und sehr steil, so dass wir gezwungen sind, die Ski abzunehmen und zu Fuss weiter aufzusteigen. Nach knapp 4 Stunden Aufstieg erreichen wir um 11.00 Uhr den exponierten Vorgipfel, 5890 m – der Hauptgipfel selbst ist noch einige hundert Meter höher und nur durch kombinierte Kletterei über einen langwierigen Gratanstieg zu erreichen. Rasch machen wir uns an die Abfahrt, denn immer mehr Bewölkung brandet an den Berg an und sorgt für sich verschlechternde Sichtbedingungen. Der steile Gipfelhang lässt sich sicher mit Ski befahren, so finden wir uns nach nur wenigen Minuten auf der ebenen Hochfläche wieder. Die weitere Abfahrt ist ein weisser Rausch aus Pulver und Firn und bringt uns trotz vieler Fotos in weniger als 40 Minuten zurück ins Basislager, in dem schon das Mittagessen aufgetragen wird. Wenn doch nur auch der Manaslu mit einem so schön leichten Tagesrucksack zu befahren wäre!

Sonntag 6.5. – Dienstag 15.5. Gipfelversuch
Nach dem Wetterbericht sollte der Sonntag mit 20-30 Zentimeter Neuschnee aufwarten. Stattdessen scheint den ganzen Tag die Sonne vom Himmel – vielleicht der schönste Tag am Berg überhaupt bislang. Die meisten Gipfelaspiranten brechen in Richtung Lager 1 auf. Auch wir rüsten uns zügig, am Montag aufzusteigen. Im Laufe des Tages korrigiert das Wettermodell seine Vorausberechnung. Einige wirklich schöne Tage sollen bevorstehen (vom nachmitttäglichen Schneefall bleibt der Manaslu aber dennoch nicht gänzlich verschont). Montag Morgen brechen wir 7.00 Uhr gemeinsam mit den Ski in Richtung Hochlager 1 auf. Nach 4 sonnigen Std kommen wir dort an und graben unsere beiden flachgelegten Zelte aus den Schneemassen aus. Viele andere Bergsteiger sind auch schon da und rüsten sich für den weiteren Aufstieg am Folgetag. Früh sind wir anderntags aus den Schlafsäcken und steigen mit den Ski zügig bis zum Beginn der Rampe des Gletscherbruchs auf. Hier ziehen wir die Steigeisen an und steigen die vier, jeweils ca. 50-60 Meter hohen Steilaufschwünge hinauf, die von kurzen Flachstücken unterbrochen sind. Dann kommen wieder die Ski zum Einsatz, die bei den nach wie vor großen Schneemengen noch immer eine erstklassige Hilfe sind. Nach 4,5 Std erreichen wir das untere C2, 6290 m, in dem die meisten anderen Bergsteiger am Ende der Steilstufen lagern. Wir ziehen noch 1,5 Std über sanft kuppiertes Gelände weiter zu unserem „Serac-Lager“ auf 6520 m. Nachmittags schneit es wieder etwas – wie beinahe jeden Tag – die Neuschneemengen fallen jedoch relativ gering aus. Nach einer ruhigen Nacht weckt uns der Mittwoch wiederum mit Sonne und blauem Himmel. Da wir keinerlei Hochträger beschäftigen, beschliessen wir, einen Depotgang auf 6900 m oder höher zu unternehmen, um uns mit den Tragelasten für den Folgetag etwas zu entlasten. Der steile Hang hinauf zum 6900er Lager ist im prallen Sonnenschein sehr schweißtreibend, so beschließen wir, das Depot schon dort einzurichten, als wir nach 4 Std am Lager unterhalb einer kleinen Serac-Eiswand eintreffen. Ohne zusätzliches Gepäck begutachten wir noch die Eisrampe, die höher bis zur Schulter führt bis ca. 7200 m, ehe wir mit den Ski die Talfahrt in unser 6500er Lager antreten. Am Donnerstag wollen wir bis auf die Schulter aufsteigen, auf der sich das Camp 4, 7400 m, befindet. Als wir bei unserem Depot auf 6900 m (C3) ankommen, erfahren wir von den anderen dort versammelten Bergsteigern, dass noch immer an den Fixseilen gearbeitet wird und das Gros der Bergsteiger im Laufe der kommenden Nacht zu einem Gipfelversuch von C3 aufbrechen möchte. Nachdem Rainer, Christian und Luis mit den Ski bis zum Gipfel aufsteigen möchten, Saskia und Alix hingegen zu Fuss, kommt uns eine gute Aufstiegsspur auch zu Gute und so beschließen wir, stattdessen hier auf 6900 m eine weitere Nacht zu lagern, ehe wir auf die Schulter aufsteigen. Am Freitag Morgen steigen wir bei bestem Wetter in der frisch getrampelten Spur durch das Eisgewirr der Rampe zur Schulter hinauf. Entgegenkommende Bergsteiger, die ihren Aufstieg abbrechen mussten, erzählen von langen Staus und Wartezeiten an den Fixseilen während der windigen und kalten Nachtstunden (die meisten Bergsteiger waren gegen Mitternacht aufgebrochen) – dies hatten wir erwartet und uns aus diesem Grund ferngehalten. Alle ausser einem Bergsteiger steigen mit künstlichem Sauerstoff auf, die Zahl der assistierenden Climbing Sherpas übersteigt die Anzahl der Bergsteiger. Trotz des massiven Einsatzes, gelangen nur vier von mehr als einem Dutzend gestarteter Bergsteiger auf den Gipfel. Bis 18.00 Uhr Abend steigen Bergsteiger an unserem Zelt auf C4, 7400 m, vorbei ab, hinab nach C3, 6900 m. Wir richten es uns derweil auf der Schulter so gut ein wie möglich, am nächsten Tag wollen wir unseren eigenen Gipfelversuch in Angriff nehmen. Der Wetterbericht ist nach wie vor gut, auch der Folgetag soll ein guter Gipofeltag werden. Doch in der Nacht rüttelt ein wahrer Orkan an unseren Zelten, die Windgeschwindigkeiten betragen sicherlich 120-130 km/h. An Schlaf ist nicht zu denken. Auch am frühen Morgen ist der Wind unvermindert stark und wir verlegen unsere Aufbruchszeit nach hinten, da die Kälte sonst zu extrem wäre. Als wir schließlich aufbrechen, ist das Wetter hervorragend, wenn nur der starke Wind nicht wäre. Vom Sattel aus ist eine erste kurze Steilstufe zu überwinden, dann folgt ein weitläufiges Plateau, das vom Wind blank gefegt ist und auf dem sich das blaue Eis spiegelt. Danach folgt ein weiterer Steilhang. Hier legt sich zum Glück der Wind etwas. Die Verhältnisse sing gut und wir kommen zügig voran. Um eine Scheeschulter herum erreichen wir schließlich die Fusshänge des Gipfels. Der Felsaufbau des Hauptgipfels ist zum Greifen nahe, daneben der etwas niedrigere Nebengipfel, weit links davon das markante Horn der East Pinnacle. Urplötzlich ziehen Wolken auf und hüllen uns in dichten Nebel. Der Höhenmesser zeigt 7950 m – noch 200 Meter bis zum Gipfel. Wir steigen einige Meter höher, noch immer in dem Glauben, die Wolken werden wieder auflockern – noch eine Stunde Zeit … Stattdessen bricht ein infernalisches Gewitter los, unter der Mütze stehen uns die Haare zu Berge, Pickel und Skistöcke summen, elektrische Schläge zucken schmerzhaft auf Schultern und Kopfhaut. Graupel setzt ein, ein orkanartiger Wind bricht los. Fluchtartig treten wir den Abstieg an. Aus der genussvollen Bergtour von vor noch einer halben Stunde ist ein Überlebenskampf geworden. Nur mit dem GPS finden wir unseren Weg noch zurück, es herrscht kompletter White Out. Ständig vereisen die Sturmbrillen. Finger, mit denen Gläser und GPS geputzt werden, gefrieren ein. Augen ohne Brille gefrieren zu. Lebensgeister gefrieren ein. Zum Schluss kommen wir schwer angeschlagen auf unserem Lager auf 7400 m an und verkriechen uns in die Zelte. Während der Nacht wird eines davon vom Sturm komplett zerfetzt, das andere hält stand. Sobald es die Temperaturen zulassen, treten wir unseren Abstieg Richtung C3 an. Christian ist schneeblind und entwickelt zu allem Überfluss während des folgenden Tages ein Höhenlungenödem und ist dadurch komplett erschöpft. Mit dem Seil lassen wir ihn abschnittsweise durch das steile, komplizierte Gelände des Eisbruchs zwischen C4 und C3 ab. Hierfür benötigen wir den gesamten Tag. Um 17.00 Uhr kommen wir bei unseren Zelten auf 6900 m an und behandeln ihn als erstes mit Sauerstoff, eine entsprechende Medikamentation hatte er bereits zuvor schon erhalten. Über Nacht stabilisiert sich sei Zustand so gut, dass wir es alle zusammen am Folgetag, dem Montag, schaffen, ins Basislager abzusteigen bzw. mit Ski abzufahren. Die Kraftanstrengung war gewaltig und einjeder hat seine Wunden zu lecken: diverse Erfrierungen zweiten und dritten Grades, Ödeme, erfrorene und verbrannte Haut, Schneeblindheit, u.a.m. sind die Bilanz des Wettersturzes. Nichts, was nicht wieder heilen würde – wir sind wieder alle heil zurück.

Mittwoch 16.5. – Samstag 19.5. Packen und Abreise
Eingehende Wetterberatungen mit Charly Gabl und den Kollegen ergeben, dass die Saison am Manaslu wohl gezählt ist. Bis zu 80 Zentimeter Neuschnee in den Folgetagen sollen stürmische Winde bis über 100 km/h bis zum 25.5. folgen, der Nährboden für Lawinengefahr. So bleibt uns sowie den verbleibenden anderen beiden Expeditionen, einer polnischen und einer deutschen Gruppe unter Führung des österreichischen Bergführers Herbert Wolf, nur noch, die noch stehenden Lager abzubauen und all unser Material zu bergen. Am Freitag wollen wir dann packen und am Samstag nach Sama Gaon absteigen. In den Folgetagen trekken wir über Larkya La und das Marsyangdi-Tal in die Zivilisation zurück. Der Manaslu ist seinem Ruf als „Gewitter-Berg“ und als „Berg des Schnees“ wieder einmal mehr als gerecht geworden. Dennoch haben wir am „Berg der Seele“ – wie er ja eigentlich heißt – auch eine gute Zeit gehabt und viele Eindrücke in unsere Seelen aufgenommen, die wir nicht missen mögen. Der Manaslu ist und bleibt ein toller Berg mit einer abwechslungsreichen Route, die dem ambitionierten Skitourengeher alles bietet – wenn auch die letzten zweihundert Meter im Unbekannten bleiben müssen. Damit ist unsere Expedition zum Manaslu an ihrem Ende angelangt. Wir bedanken uns bei allen Lesern für ihr Interesse und ihr Mitfiebern und würden uns freuen, wenn Sie auch das nächste Mal wieder mit dabei sind!